Homeoffice in Coronazeiten – Eine neue Ära bricht an?
Es war der 10. März, als wir uns morgens im Team zu einer Lagebesprechung zusammengefunden hatten. In den Medien war zu diesem Zeitpunkt zu lesen, wie die COVID-19 Situation in Italien eskalierte und nun schien es uns relativ klar zu sein, dass auch wir in Deutschland in Kürze unseren Alltag nicht mehr so würden weiter führen können, wie wir es bis dahin getan hatten. An dem Tag stellten wir uns die Frage: „Wollen wir erst einmal noch abwarten, oder wollen wir das Büro direkt schließen und ins Homeoffice umziehen?“ Die Entscheidung fiel letzten Endes einstimmig zugunsten des Homeoffice. Der Grund dafür war damals weniger, dass wir uns Sorgen um unsere eigene Gesundheit machten, sondern vielmehr, dass wir es als unsere soziale Verantwortung ansahen, dazu beizutragen, dass möglichst wenige Menschen das Haus verlassen. Wohl gemerkt geschah dies einige Tage, bevor Social Distancing in Deutschland zum großen Thema wurde und auch die Kontaktbeschränkungen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeführt.
Den restlichen Tag über war damals die Stimmung im Büro etwas gedrückt – oder vielleicht kam es mir auch nur so vor. Ursprünglich hatten wir jedenfalls vorgehabt, um die Mittagszeit herum bereits nach Hause zu gehen, aber dann zogen sich die vorher noch zu erledigenden Arbeiten doch noch über den Tag – und fast schon schien es, als ob mindestens Einzelne nicht so richtig bereit waren, Abschied zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt war uns vermutlich allen schon bewusst, dass wir uns auf lange Sicht nicht mehr so persönlich begegnen würden, wie noch an diesem Tag. Das Wort „Monate“, schwebte auch da schon im Raum.
Viel vorzubereiten hatten wir im Grunde genommen nicht. Wir machten uns Gedanken darüber, wie die Pflanzen in unserer Abwesenheit versorgt werden, dass wir unseren wöchentlich gelieferten Obstkorb abbestellen müssen und sprachen darüber, dass man zumindest ab und an irgendwie nach der Post sehen müsste. Wir legten einige grobe Regeln für die zukünftigen Arbeitstage fest: Dass sich jeder von uns bis 09:45 Uhr täglich via unserem Arbeits-Chat auf Slack melden würde, zum Beispiel. Dann richteten wir auf den Computern noch Möglichkeiten zum Screensharing ein und viel mehr war dann auch gar nicht mehr zu tun.
Seit dem 10. März diesen Jahres haben wir uns also nicht mehr persönlich gesehen. Viele Wochen sind seitdem vergangen und somit ist es an der Zeit, einmal über unsere Erfahrungen zu berichten: Wie leicht gelang uns der Übergang von Präsenz- zu remote-Firma? Wie geht es uns insgesamt mit dieser neuen Arbeitssituation? Und: Wird dieses unfreiwillige Experiment unsere zukünftige Zusammenarbeit verändern?
Um ein genaueres Bild von der Stimmung und den Meinungen im Team zu bekommen, haben wir mittels Google Forms eine kleine Umfrage durchgeführt. Schauen wir uns die Daten doch nun einmal im Detail an:
In Abbildung 1 sehen wir, dass der Übergang ins Homeoffice einigen im Team gar keine Probleme bereitet hat („die Umstellung aufs Homeoffice ist mir schwer gefallen“), aber die Empfindungen diesbezüglich durchaus gemischter Natur waren. Dass uns als Firma insgesamt der Übergang gut gelungen ist, scheinen allerdings alle (antwortenden) Teammitglieder so zu sehen („die Umstellung aufs Homeoffice hat insgesamt für die Firma gut funktioniert“). Ebenso sehen wir hohe Zustimmungswerte bei „Im Homeoffice kann ich mich gut konzentrieren" (schlechtere Werte wurden vom Team teilweise durch die problematische Kinderbetreuungssituation begründet) und „Ich finde, die Kommunikation untereinander funktioniert auch von zu Hause aus gut“.
Dennoch vermisst ein Großteil der Antwortenden den direkten Kontakt untereinander, wie Abbildung 2 zeigt („Ich vermisse den direkten Kontakt zu meinen KollegInnen“). Überraschend gespalten ist das Team bei dem (nicht ganz ernst gemeinten) Thema: „Ich vermisse die Kaffeemaschine im webfactory-Büro“. Auf Rückfrage erklärten sich einige damit, dass der Kaffee zuhause eben auch recht gut wäre. Na ok. Das können wir wohl so akzeptieren. Das Büro an sich wird dann scheinbar sogar noch weniger vermisst, als die Kaffeemaschine („Ich hoffe, dass wir bald alle wieder ins Büro zurückkehren werden“). Ein spannendes Ergebnis: Niemand scheint so richtig dringend wieder das Homeoffice verlassen zu wollen. Besonders toll auch: Das Vertrauen, dass wir ineinander haben, denn bei: „Ich vertraue meinen KollegInnen/MitarbeiterInnen, dass sie auch im Homeoffice gute Arbeit leisten“, erzielen wir durch die Bank sehr hohe Werte.
Besonders auffällig: Bei fast allen haben sich im Homeoffice die Arbeitszeiten geändert (Abb. 3) und der Großteil von uns hat sogar die persönliche Meinung zum Thema „Arbeiten im Homeoffice“ geändert (Abb. 4). Auf Rückfrage erklärten manche Kollegen, dass sie nicht damit gerechnet hätten, dass es so gut laufen würde, oder dass sie sich im Homeoffice so gut würden konzentrieren können. Ein einzelner (ehemaliger) Homeoffice-Gegner hat seine ablehnende Haltung zum Thema sogar mittlerweile vollkommen revidiert. Positiv heben einige im Team hervor, dass sie sich ihre Arbeitszeit freier einteilen können. Somit fangen manche Eulen beispielsweise später an zu arbeiten (die obligatorische Meldung bis 09:45 Uhr im Teamchat hatte sich dann auch innerhalb von Tagen ganz automagisch erledigt), andere fangen früher an oder machen zwischendurch lange Pausen. Als Schattenseite davon merken Einzelne allerdings an, dass sich der Arbeitstag dadurch insgesamt in die Länge zieht und mindestens einem fällt es zumindest zeitweise schwer, einen Absprung zu finden.
Insgesamt zeigt sich nach den letzten Wochen aber, dass wir erstaunlich gut mit der veränderten Situation zurechtkommen. Ich persönlich gehe davon aus, dass dieses Erlebnis unsere Arbeitsweise langfristig beeinflussen wird, auch wenn sich noch zeigen muss, wie unsere Zukunft im Detail aussehen wird. Manche Teammitglieder wünschen sich, zumindest ab und an, die Möglichkeit, die KollegInnen auch einmal wieder persönlich zu sehen oder ihre Arbeit im Büro zu verrichten. Andere träumen bereits davon, die Welt zu bereisen und von Unterwegs zu arbeiten oder haben für sich festgestellt, dass sie eigentlich gar nicht mehr so richtig ins Büro zurückkehren wollen und der eingesparte Pendelweg eine echte Erholung ist. Auch die Möglichkeit full-remote Kräfte einzustellen, scheint nun nicht mehr ganz fern jeglicher Vorstellung zu sein. Abbildung 5 zeigt allerdings, dass sich so ganz konkret doch niemand vollständig vom Büro distanzieren möchte. Entsprechend nicht ganz ernst gemeint, wurde sogar hier und da schon diskutiert, ob wir das Büro überhaupt noch brauchen. In guter Gesellschaft wären wir mit einer (optionalen) full-remote Firma zumindest: die bekannte social media Plattform Twitter hat bereits angekündigt, nicht mehr zu ihrer vorherigen Präsenzkultur zurückkehren zu wollen.