Warum wir ungerne an Ausschreibungen teilnehmen
In diesem Beitrag
- Wir möchten mit potenziellen Kunden in den Dialog treten, statt anonyme Bewerbungen zu versenden
- Wir finden Ausschreibungen zu teuer
- Wir glauben nicht, dass man auf Basis einer Ausschreibung ein seriöses Angebot abgeben kann
- Wir finden Geiz nicht geil
- Wir arbeiten nicht mit Festpreis
- Wir finden, dass Ausschreibungen Nebensächlichkeiten zu viel Gewicht einräumen
- Wir wollen unsere Dienstleistungen nicht verschenken
Das Wort „Ausschreibung“ ist mit der Webbranche in etwa so fest verbunden wie die Wörter „Sprint“, „Serverausfall“ und „Kaffee“. Man munkelt, dass es dort draußen Agenturen gibt, in denen ganze Teams nichts anderes tun, als an einer Ausschreibung nach der nächsten teilzunehmen. Auf der anderen Seite der Macht – nämlich seitens der Auftraggeber – besteht oft sogar die rechtliche Verpflichtung, ein Projektvorhaben dem breiten Wettbewerb zur Verfügung zu stellen, insbesondere, wenn es sich dabei um Projekte der öffentlichen Hand handelt. Dass den Kunden also oft gar nichts anderes übrig bleibt als ihr Projekt auszuschreiben und dass sie sich dabei an gewisse Vorgaben halten müssen, ist uns somit natürlich bewusst. Dennoch sind wir in der webfactory bekennende Ausschreibungs-Skeptiker. Nur in Ausnahmefällen nehmen wir an einer teil, etwa dann, wenn das Vorhaben besonders gut zu unseren Anforderungen passt und ein Projekt uns sehr reizt. Warum das so ist, möchten wir in diesem Blogbeitrag erzählen.
Wir möchten mit potenziellen Kunden in den Dialog treten, statt anonyme Bewerbungen zu versenden
Wir haben das große Glück, dass die meisten unserer Kunden ihren Weg ganz ohne komplizierten Ausschreibungsprozess zu uns gefunden haben. Im Normalfall läuft das so ab: Ein*e Interessent*in meldet sich bei uns, man telefoniert ein paar Mal miteinander und steckt dabei ab, ob Projektwünsche und Expertise zusammenpassen und man sich vorstellen kann, miteinander zu arbeiten. Vielleicht trifft man sich dann noch einmal zu einem persönlichen Gespräch um weitere Details zu klären, zeigt das ein oder andere Vergleichsprojekt und brainstormt eventuell auch schon einmal los, in welche Richtung das Vorhaben gehen könnte. Das Angebot für das Projekt und die Auftragsbestätigung erfolgen dann oft ganz zwanglos via E-Mail. Der zentrale Aspekt, der hier betont werden soll, ist, dass diese gesamte Akquisephase in Form eines beidseitigen Austauschs stattfindet. Man spricht miteinander, kann sich erklären, eventuelle Missverständnisse schnell aus dem Weg räumen, alternative Vorschläge anbieten und letztlich auch schauen, ob man sich sympathisch ist. Bei einer Ausschreibung fällt genau dieser persönliche Aspekt in weiten Teilen weg. Stattdessen müssen hier seitenweise Unterlagen gelesen und Fragebögen ausgefüllt werden. Rückfragen sind nur eingeschränkt und oft nur über den schriftlichen Weg möglich. Das System kostet viel Zeit, Nerven und Ressourcen und ist unserer Ansicht nach dabei auch noch deutlich ineffizienter als die persönlichen Beratungsgespräche, die wir demgegenüber vorziehen. Gewisse Aspekte einer Ausschreibung nehmen dabei nahezu absurde Züge an: zum Beispiel, wenn man nach seitenlanger Lektüre der Projektanforderungen aufgefordert wird, diese in eigenen Worten wiederzugeben. Dahinter mag das Bedürfnis stehen, irgendwie zu verifizieren, ob die sich bewerbende Agentur das Projekt auch wirklich verstanden hat. Man kommt sich dabei allerdings ein bisschen vor wie bei einer Schulprüfung. Würde man einfach miteinander sprechen, wäre doch direkt klar, dass wir die Aufgabenstellung verstanden haben.
Wir finden Ausschreibungen zu teuer
Natürlich rechnen auch wir erste Beratungsgespräche, die wir mit potenziellen Neukunden führen, in der Regel nicht ab. Das Problem ist, dass die Akquisekosten bei einer Ausschreibung dieses normale Maß überschreiten. Ganze Berge an Unterlagen müssen gewälzt werden, darunter seitenlange Bedingungen und Verträge. Neben der Wiedergabe des Projektvorhabens in eigenen Worten müssen Mitarbeiterprofile versendet und eine meist festgelegte Anzahl an Referenzprojekten vorgestellt werden, der eigene Projektmanagementprozess muss erläutert und Standardfragen („Welche Gefahren sehen Sie in dem Projekt?“, „Wie gewährleisten Sie die Erreichbarkeit im Notfall?“) beantwortet werden. All dies kostet Zeit — und zwar so viel, dass gerne mal zwei Mitarbeiter einige Tage bis Wochen damit beschäftigt sind, die Unterlagen zusammenzustellen. Bei hohem Zeitdruck versteht sich, denn die Deadlines sind meist eng gesteckt. Das bedeutet für uns schon einmal, dass wir ziemlich spontan das stehen und liegen lassen müssen, was wir gerade eigentlich tun wollten – und das obwohl wir uns eigentlich gar nicht wohl dabei fühlen, die Projekte unser Bestandskunden nach hinten zu schieben, um uns um die Akquise neuer Kunden zu kümmern. Doch zurück zur Kostenfrage: Bei der letzten Ausschreibung, an der wir teilgenommen haben (und bei der wir als Zweitplatzierte ausgeschieden sind) haben wir ca. 15000 Euro in unsere Teilnahme gesteckt, wenn man den Verdienstausfall eins zu eins umrechnet. Betrachtet man hingegen die Akquisekosten unserer „normalen“ Kundenanfragen, so liegen diese i. d. R. deutlich unter diesem Wert. Bei einem unserer letzten Neukunden lagen die Akquisekosten beispielsweise bei ca. 3000 Euro (auch hier wieder der umgerechnete Verdienstausfall). Man kann hier anmerken, dass Ausschreibungen mit der Zeit insofern günstiger werden, als dass sich einige der erstellten Unterlagen (z. B. Mitarbeiterprofile) wiederverwenden lassen. Insgesamt bleibt aber bestehen, dass die Teilnahme an einer Ausschreibung deutlich zeitaufwändiger als eine ausschreibungsunabhängige Neukundengewinnung ist.
Wir glauben nicht, dass man auf Basis einer Ausschreibung ein seriöses Angebot abgeben kann
Wie soll das auch funktionieren, wenn man nicht miteinander sprechen kann? Wir haben in letzter Zeit einige gute Ausschreibungen mit wirklich detaillierten Anforderungen gesehen, aber auch hier ergeben sich einfach noch unglaublich viele Fragezeichen. Ohne zu wissen, welches Feature dem Kunden besonders am Herzen liegt, bei welchen Features die simpelste und preisgünstigste Lösung vollkommen ausreichend ist und vor allem auch ohne einen Einblick in die Datenstruktur zu bekommen, die später verwaltet werden soll, kann man ein Angebot eigentlich nur würfeln.
Wir finden Geiz nicht geil
Die Unterlagen, die eine Agentur bei einem Ausschreibungswettbewerb einreicht, werden letzten Endes anhand eines Punkteschemas bewertet. Der Preis spielt bei der Bewertung natürlich eine ausschlaggebende Rolle. Wir glauben, dass jede teilnehmende Agentur in ihren Bewerbungsunterlagen versprechen wird, alle geforderten Features umzusetzen (sonst würde sie ja Punkte verlieren) und dann versucht, darunter einen möglichst kleinen Preis zu setzen. Wir denken aber, dass der Kunde letzten Endes nicht glücklich werden wird, wenn man jedes Feature mit der am billigsten denkbaren Variante kalkuliert. Wir als Agentur können es nicht mit unserem Gewissen vereinbaren, ein Angebot auf Basis von „möglichst schnell und möglichst billig“ zu erstellen. Wir schätzen die Gefahr, dass bei Ausschreibungen der Kampfpreis gewinnt, als relativ hoch ein. Und es gibt hier noch einen weiteren Aspekt, der es uns als Agentur sehr schwer macht, einen niedrigen Preis anzubieten: Da wir nicht jede Ausschreibung gewinnen können, müssten wir die angefallenen Kosten einer verlorenen Ausschreibung eigentlich auf den Angebotspreis der nächsten aufschlagen. Ein Kunde, der via Ausschreibung nach einer Agentur sucht, wählt das für uns teuerste System. Die angefallenen Kosten verlorener Ausschreibungen müssten wir also genau den Kunden in Rechnung stellen, die dieses System nutzen, um unsere eigene Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten – wodurch die Angebote entsprechend teurer ausfallen müssten.
Wir arbeiten nicht mit Festpreis
In der Branche ist hinlänglich bekannt, dass sich die Aufwände eines Projekts nur sehr grob abschätzen lassen und Anforderungen sich außerdem im Prozess stetig ändern (Stichwort: agil). Genau aus diesen Gründen arbeiten wir selbst bei unseren Schätzungen mit T-Shirt-Größen und weigern uns, wo es nur irgendwie geht, mit Festpreisen zu agieren. Die Erfahrung zeigt, dass Features immer mal wieder größer werden, als ursprünglich geschätzt, zum Beispiel weil sich die Anforderungen im laufenden Projekt ändern. Wenn wir einen Festpreis anbieten wollen, müssen wir eigentlich einen ordentlichen „Gefahren-Puffer“ einplanen. Und das umso mehr bei einer Ausschreibung, bei der sich die genauen Anforderungen im Vorfeld nur erahnen lassen (siehe Punkt 3). Ein Festpreis mit ordentlichem Puffer wiederum steht im direkten Widerspruch zur Nennung eines möglichst geringen Preises (siehe Punkt 4.)
Wir finden, dass Ausschreibungen Nebensächlichkeiten zu viel Gewicht einräumen
Bei unserer letzten Ausschreibung hat uns (unter anderem) der Teilaspekt „Wiederherstellungszeiten“ bei auftretenden Mängeln einen Punktabzug beschert. Dabei sind wir während unserer Geschäftszeiten von Montag bis Freitag telefonisch erreichbar, sichten laufend unseren zentralen E-Mail-Eingang und stehen bei Bedarf auch über unsere Geschäftszeiten hinaus über eine Notfallnummer zur Verfügung. Wenn wirklich einmal etwas brennt, haben wir noch immer sofort alles stehen und liegen gelassen und uns mit Hochdruck um das Problem gekümmert. Wie lange es im Einzelfall dauert, auf ein Problem zu reagieren und es zu lösen, lässt sich natürlich nur schwer vorhersagen und ist sicherlich anhängig vom Zeitpunkt der Kontaktaufnahme, davon wie kritisch eine schnelle Behebung auf Kundenseite ist und letztlich natürlich von der Komplexität des Problems. Somit ist es insgesamt gar nicht so leicht, sich hier auf bestimmte Werte festzulegen, die man kommunizieren kann. Letzten Endes hat jedenfalls eine andere Agentur im Punkt „Wiederherstellungszeiten“ durch ihre Angaben einen besseren Punktwert erzielt als wir. Unsere These: Um hier zu gewinnen, muss man nicht nur mit Kampfpreisen, sondern im Zweifelsfall eben auch mit Kampf-Reaktionszeiten bzw. -Wiederherstellungszeiten argumentieren.
Wir wollen unsere Dienstleistungen nicht verschenken
Dass Ausschreibungen per se ein kostspieliges Unterfangen sind, haben wir bereits ausführlich dargestellt. Noch problematischer wird dies, wenn man für einen Ausschreibungswettbewerb einen Designvorschlag erstellt. Ein gutes Design braucht nun einmal seine Zeit, ein möglichst tiefgehendes Verständnis des Projekts und der Vorstellungen und Wünsche des Kunden. In der Realität zeigt sich: Selbst wenn eine Ausschreibung nicht explizit einen Designvorschlag einfordert, scheinen Agenturen, die „einfach mal eins mitschicken“, die Nase vorn zu haben gegenüber Agenturen, die darauf verzichten. Menschlich ist das sicherlich nachvollziehbar. Dennoch halten wir nichts davon, ein Design zu entwerfen, ohne dass wir dafür entlohnt werden. Immerhin gehört die Entwicklung eines Designs zu unseren Kerndienstleistungen und spielt damit auf einer ganz anderen Ebene, als das Erstellen von Mitarbeiterprofilen oder die Auflistung von Referenzprojekten. Wir finden: Gute Arbeit und Qualität darf auch ihren Preis haben.
Abschließend lässt sich sagen, dass wir uns natürlich darüber freuen, wenn wir auf eine Ausschreibung aufmerksam gemacht werden. Dennoch bleibt für uns als Fazit bestehen, dass wir auch zukünftig nur in seltenen Ausnahmefällen teilnehmen werden. Durch die anfallenden Kosten, den aus unserer Sicht ineffizienten Prozess und die mit einer Ausschreibung verbundenen Risiken für unsere Agentur werden wir vermutlich auch dann wieder Bauschmerzen dabei haben.